Ein unerwartetes Nachspiel

Milena Šnáblová war als fünfzehnjährige Schülerin am 11. September 1951 im Fluchtzug mitgefahren. Anlässlich des 65. Jahrestages des Ereignisses gab sie 2015 mehrere Interviews, darunter eines mit dem Journalisten Petr Przeczek für das tschechische Nachrichtenportal idnes. Ich selbst konnte mit Frau Šnáblová damals ebenfalls im Zusammenhang mit einer Rundfunksendung über den Freiheitszug sprechen, für die ich das Drehbuch schrieb. Frau Šnáblová äußerte sich ausführlich über die Verhöre, denen der Staatssicherheitsdienst die völlig ahnungslosen Fahrgäste des Fluchtzuges nach der Rückkehr unterzog:

„Direkt an der Grenze wurden wir in zwei Autobusse verladen und geradewegs auf die Station des Staatssicherheitsdienstes in Asch / Aš gebracht. Dort begann man uns zu verhören. Wir warteten unten im Erdgeschoß auf die Verhöre. Ich kam erst um zehn Uhr abends an die Reihe. Sie gaben uns Tee und irgendeine Semmel. Dann führten uns die Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes nach oben. Im ersten Stock übergaben sie uns an andere, und die brachten uns in den Raum, in dem das Verhör stattfand. Dort standen in der Mitte ein Stuhl und ein kleiner Tisch, und in allen Ecken brannte eine starke Lampe. In dem Raum waren mehrere Leute, und sie wollten von uns wissen, was wir alles in Deutschland gesehen hatten. Sie verhörten uns wie Verbrecher, das war ein unangenehmes Gefühl. Ich konnte mich nicht erinnern, in dem amerikanischen Lager [Grafenwöhr] Panzer gesehen zu haben. Sofort schrie mich einer der Ermittler an: ‚Du verleugnest die Panzer!‘ Ich ahnte überhaupt nicht, dass das für sie wichtig war. Sie wussten alles.

Aber damit nicht genug. Später saßen wir einmal daheim beim Mittagessen. Plötzlich geht die Tür auf, und ein fremder Mann tritt herein. Er war vom Staatssicherheitsdienst. Wir waren alle ganz verblüfft. Er sagte, er wisse von meiner Rückkehr und wolle mit mir reden. Er führte mich in das Zimmer nebenan. Dort befragte er mich über Sachen, die ich dem Staatssicherheitsdienst schon früher erzählt hatte. Es waren immer wieder die gleichen Fragen. Ich wusste nicht mehr, was ich noch sagen sollte. Und so ging das noch zwei- oder dreimal. Die Vernehmungen hörten erst nach eineinhalb Monaten auf. Einmal holten sie mich sogar vom Unterricht weg auf ihre Dienststelle in Eger / Cheb. Sie ließen mich lange auf dem Flur warten, mir war schrecklich kalt. Ich saß drei Stunden dort. Ich war von alledem schon so angespannt, ich war ständig in Ungewissheit, wann sie wieder etwas von mir wollten. Und meinen Mitschülern, die damals im Zug waren, erging es genauso. Wir tauschten uns nicht darüber aus, was die anderen sagten. Wir hatten alle Angst. Wir wussten nicht, ob uns nicht jemand zuhört. Wir trauten niemandem. Es war eine schreckliche Zeit. Im Zug begann ein Mann zusammen mit uns zu fahren, von dem ein Mitschüler wusste, dass er beim Staatssicherheitsdienst arbeitete. Sie bewachten uns auf Schritt und Tritt.“

Quelle:
Nachrichtenportal idnes vom 24. Oktober 2015.
http://vary.idnes.cz/milena-snablova-z-ase-cestovala-v-roce-1951-ve-vlaku-svobody-pmn-/vary-zpravy.aspx?c=A151017_2199184_vary-zpravy_ba