Bittbrief verzweifelter Eltern

Am 22. September wurde auf dem Titelblatt der Zeitung Rudé právo (Rotes Recht) ein „Brief von Familien verschleppter Kinder an den Vizekanzler und Außenminister Viliam Široký“ abgedruckt. Eine der Mütter, die in dem Bittbrief an den Außenminister appellieren, alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit sie ihre Kinder zurückbekämen, war Božena Jágrová aus Asch. Ihr Sohn Zdeněk, Schüler der Abschlussklasse des Egerer Gymnasiums, war in Deutschland geblieben. Božena Jágrová schrieb in dem öffentlichen Brief:

„Der 11. September, an mein Sohn Zdeněk gewaltsam nach Westdeutschland verschleppt wurde, ist für mich und meine Familie ein Tag geworden, der mich davon überzeugt hat, dass es noch heute möglich ist, wehrlose und ehrenhafte Menschen von ihrem Zuhause zu verschleppen und dabei zynisch von Freiheit und Demokratie zu reden. Diese Tatsache ist für mich gerade in der heutigen Zeit schrecklich schmerzhaft, in der mein Sohn ein wahrhaftiger Mensch geworden wäre und die Möglichkeit gehabt hätte, sein künftiges Leben in einer wahrhaft freien Heimat zu leben. Für mich, die liebende Mutter, die gesehen hat, wie glücklich er in seinem Leben und in den neuen Verhältnissen war, ist es unsäglich schmerzhaft, wenn ich mir bewusst mache, dass er ein Opfer von einigen Verrätern wurde und unter dem Druck unlauterer Drohungen dazu gezwungen wurde, in einem Land zu leben, in dem die Freiheit ein Besitztum der Reichen ist und alles getan wird, um unser Volk wieder in Knechtschaft und neue Kriegsleiden zu stürzen. Ich glaube nicht und ich werde niemals glauben, dass er bei der Erziehung, die ich ihm angedeihen ließ, ein freiwilliges Werkzeug in den Händen dieser Verräter geworden sein kann. Ich habe von jenen, die Glück hatten und zurückkehren konnten, gehört, dass ihnen dort mit Strafen gedroht wurde, die sie hier erwarten würden. Ich weiß jedoch, dass etwas Derartiges völlig unmöglich ist, und deshalb bitte ich Sie, Herr Minister, von Ihrem Einfluss Gebrauch zu machen und sich dafür einzusetzen, dass mein Sohn seiner Familie und seinem Heimatland zurückgegeben wird.“

Quelle:
[Dopis rodin zavlečených dětí náměstku předsedy vlády a ministru zahraničních věcí Viliamu Širokému (Brief von Familien verschleppter Kinder an den Vizepremierminister und Außenminister Viliam Široký). Rudé právo (Rotes Recht), 22. September 1951, Titelseite.]